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Interview mit Nicole Ohnesorge




Nicole Ohnesorge über die Anfänge der Tap Connection und der Irish Beats Dance Company, das Tanzen innerhalb einer kleinen Blase und den Willen, niemals aufzugeben.


Du hast die meisten Sachen hier im Studio, aber was nimmst du denn immer so zum Training mit?


Also in meiner Tasche hier sind Süßigkeiten — sehr viele Süßigkeiten — Tanzschuhe, die nicht mir gehören, und eine Eulenkerze.


Könntest du dir vorstellen, deine Tanztasche jemals gegen eine Aktentasche zu tauschen?


Eine Aktentasche würde ja Büroarbeit bedeuten. Das kann ich mir beim besten Willen nicht vorstellen, obwohl ich eine Ausbildung zur Bürokauffrau gemacht habe. Doch für Büroarbeit bin ich einfach viel zu aktiv.


Ist dir erst während der Ausbildung bewusst geworden, dass du lieber tanzen möchtest?


Tatsächlich habe ich im Abitur schon unterrichtet und getanzt. Ich wollte unbedingt Tänzerin werden, wusste aber, dass ich eine Grundlage brauche, falls irgendetwas passieren sollte oder ich es nicht schaffen werde.


Wie hast du die Zeit damals wahrgenommen?

Das muss doch sehr schwierig gewesen sein?


Das habe ich auch am Anfang meiner Ausbildung gedacht. Es sollten immerhin drei Jahre werden, in denen ich etwas machen musste, was ich eigentlich nicht mochte. Doch dadurch, dass ich viel Training hatte und auch schon selber ein bisschen Geld vom Unterrichten bekommen habe, ging die Zeit schneller vorbei als ich dachte. Letztlich prägen und lehren einen ja alle Erfahrungen, daher bin ich sehr froh, dass ich mir diese Grundlage schaffen konnte.


Hattest du jemals Zweifel über deinen Lebensweg?


Zweifel, dass ich davon nicht überleben kann, hatte ich. Ich habe auch oft an mir persönlich – an meinem Können – gezweifelt, aber nie daran, dass ich Tänzerin werden möchte.


Wie gehst du mit Selbstzweifeln um?


Als ich 15 war, hatte ich keine Lust mehr auf Ballett, wollte aber weiterhin steppen, woraufhin ich nach Stepptanzschulen gesucht habe. Nach meinem ersten Unterricht an einer Schule bin ich weinend wieder herausgegangen, weil ich dachte ich würde gar nichts können. Also habe ich mir gedacht, dass ich hier wirklich etwas lernen kann und genau deswegen bleiben muss, obwohl ich eben an mir gezweifelt habe. Aber es ist das Richtige gewesen, zu bleiben. Oftmals muss man sich durchbeißen.


Das heißt, nicht aufgeben und weiter an sich glauben!

Wie kam es dann zur Gründung der Tap Connection?


Ich habe bei Marie-Christin Zeisset damals American Stepptanzunterricht genommen, weiterhin aber noch Irish Dance unterrichtet, was beides irgendwann zu viel wurde. Daraufhin ist die Partnerschaft entstanden und ich unterrichtete nur noch Irish Dance.


Bis Gyula kam und mit ihm die Idee zur Gründung einer Company?


So in etwa. Ich habe noch mit Reiko Wildgrube und ein paar Schülern und Schülerinnen Auftritte als Traditional Irish Dance Company gegeben, bis Gyula 2009 für einen Workshop nach Berlin gekommen ist und der Wunsch entstand, eine eigene Company zu gründen, um einem breiten Publikum eine Irish Dance Show zu bieten und Schülern und Schülerinnen die Möglichkeit zu geben, professionell zu tanzen.

Ja, da haben wir dann auch festgestellt, dass das ganz gut funktioniert zwischen uns.


Das funktioniert bis heute sehr gut.

Ab wann wurde dir bewusst, dass Gyula mehr als nur ein Tanzpartner sein wird?


Am ersten Tag als ich ihn gesehen habe. Seitdem tanzen wir gemeinsam durchs Leben.


Könnt ihr beiden jemals nicht ans Tanzen denken?


Das ist schwer, weil es ja wirklich unser Leben ist. Selbst im Urlaub beginne ich meistens damit, neue Pläne zu schmieden, wobei Gyula mich dann daran erinnern muss, dass wir gerade frei haben.


Das zeigt ja, dass es nicht einfach nur irgendein Beruf ist.

Was ist für dich das Besondere an der Bühne?


Es erfüllt mich, das zu präsentieren, was ich liebe und einfach in dem Moment zu sein, in meiner kleinen Blase, in der ich mich dann befinde.

Die Bühne ist ein toller Ort, um zu einer anderen Persönlichkeit zu werden. Man kann das verkörpern, was man gerne sein möchte und sein Können einem breiten Publikum unterschiedlichen Alters und unterschiedlicher Herkunft präsentieren. Wenn man dann das Lächeln und die Begeisterung in den Gesichtern des Publikums sieht, ist das ein wirklich unglaubliches Gefühl.


Wie gehst du mit der Aufregung um?


Ich war nie so aufgeregt, dass es mich blockiert hätte. Ich bleibe fokussiert und denke an nichts Schlimmes. Natürlich bin ich schon etwas angespannt, was aber gut ist, weil das der Konzentration hilft. Aber Angst zu haben, ist generell nicht hilfreich. Der Kopf stellt sich dann nämlich immer das gleiche schlimme Szenario vor, was dazu führt, dass der Körper auch darauf zusteuert. Wichtig ist, sich in der Situation immer wieder zurückzuholen und ans Tanzen zu denken, nicht an andere Dinge.


Dann legen wir den Fokus nun auf glückliche Szenarien! Was sind die schönsten Erinnerungen, an die du heute noch häufig denken musst?


Das sind sehr viele Erinnerungen!


Zum Glück!


Also ich bin als Kind einmal beim Fernsehballett aufgetreten. Ich erinnere mich noch, dass ich vorher nicht schlafen konnte und sehr geweint habe, weil ich nicht wusste, ob ich Fehler machen werde. Aber alle, die um mich herum waren, haben mich aufgebaut und gesagt, dass ich das schaffen werde. Im Endeffekt verlief natürlich alles wie geprobt.

Dann wäre da noch unsere Premiere von World Of Pipe Rock And Irish Dance am 1. März 2013 in Hildburghausen. Wir hatten vorher nicht gewusst, wie die Zuschauer reagieren würden, doch die Reaktion war unbeschreiblich und wenn ich heute daran denke, bekomme ich immer noch Gänsehaut.

Meine erste Show als Devil-Lead in der Show „Magic of the Dance“ werde ich auch nicht vergessen. Ich hatte einen Nachmittag, um mich mit den Schritten vertraut zu machen und zu üben. Meine sonst so starken Drahtseilnerven waren zum Zerreißen dünn, doch als ich dann auf die Bühne trat, waren alle Sorgen vergessen und ich konnte den Moment nur noch genießen. Zum Glück folgten noch viele weitere Shows als Teufelin, sodass ich in meiner Rolle vollkommen aufgehen konnte.

Den unbeschreiblichsten Moment auf der Bühne hatte ich beim Tattoo-Festival in Berlin in der Max-Schmeling-Halle vor 6000 Zuschauern. Das ist eine Zahl, die sich meiner Vorstellungskraft entzog, die ich, auch als ich hinaus auf die Tanzfläche ging, nicht fassen konnte. Das war das erste Mal in meinem Leben, wo mich das Publikum fast erschlagen hat.

Natürlich gehört auch das Unterschreiben des Mietvertrages für unser eigenes Studio vor zwei Jahren dazu. Wir haben so lange gesucht – ich hatte schon fast den Mut verloren.

Und mein privates Highlight war natürlich die Verlobung mit Gyula im letzten Jahr.


Welchen besonderen Rat hat dir mal jemand mit auf den Weg gegeben?


„Wenn du mit etwas unzufrieden bist, ändere was.“


Von wem kommt dieser Rat?


Von meiner Mama.


Was würdest du aus heutiger Sicht deinem 5-jährigen Ich sagen, welches gerade seine erste Tanzstunde besucht?


Mach was du dir erträumst, auch wenn es abwegig erscheint, aber mit harter Arbeit schafft man alles. Verliere nie den Mut, egal was andere sagen, egal wie viele Rückschläge erlebt werden, man kann mehr als man denkt.


Wenn du einem Schüler oder einer Schülerin von dir nur einen Rat mit auf den Weg geben würdest, welcher wäre es?


Auch wenn du manchmal denkst, dass du gar nichts kannst und lieber mit dem Tanzen aufhören solltest, dann verliere nie den Blick für die kleinen Details, die kleinen Fortschritte, die schon erreicht wurden.

Solch kleine, aber wichtige Erfolge übersieht man viel zu oft!


Klingt, als hättest du dir das auch selbst immer wieder sagen müssen ...


Wenn ich Frustmomente habe, dann versuche ich daran zu denken, was ich alles schon geschafft habe, was sich dann beinahe wieder surreal anfühlt. Ich weiß noch, wie ich mich damals immer wieder selbst gefilmt habe, um mich zu korrigieren. Teilweise dachte ich, dass ich aussähe wie ein Stück Torte auf der Tanzfläche. Doch mit viel Übung und Selbstdisziplin wurde aus der Torte doch noch eine Tänzerin. Auch die weniger guten Erfahrungen oder Erlebnisse haben mich stärker gemacht und ich möchte nichts davon missen.


Außer dem Tanzen, nenne mir mal die Top 5 der Dinge, mit denen du am meisten Zeit verbringst!


Am liebsten verbringe ich Zeit mit Menschen, die ich gerne um mich herum habe. Ich mag es nicht, allein zu sein. Außerdem habe ich einen sehr starken Bewegungsdrang, bin also viel draußen, gehe spazieren oder fahre Fahrrad. Aber ich lese auch viel und esse gerne Eis!


Du darfst jetzt ein paar Wünsche äußern, wenn du magst.


Ich möchte lange tanzen können und gesund bleiben; viel Gesundheit wünsche ich auch den Menschen, die ich liebe. Ich wünsche mir auch, dass ich tänzerisch in keine Stagnation falle, sondern mich immer noch weiterentwickeln kann.

Gegen ein kleines schönes Schwedenhaus hätte ich auch nichts.


In dem Schwedenhaus könnten wir die Companycamps veranstalten!


Bin dabei!


Wir sind bei den Blitzfragen angekommen! Hard oder Soft?


Soft!


Auf welches Lebensmittel könntest du nicht verzichten? Schokolade …

Kindheitsangst? Dunkelheit. Oder, dass sich irgendjemand unter meinem Bett befindet.

Heutige Angst? Dass es jemandem, den ich liebe, nicht gut geht.

Schlechte Angewohnheit? Ich bin sehr dickköpfig. Das treibt Gyula manchmal in den Wahnsinn.

Geht dir alles zu schnell oder zu langsam? Zu schnell.

Welches Geräusch hörst du am liebsten? Steppgeräusche.

Letzter Ohrwurm? „Dance With Me Tonight“, was wir gestern beim Warm-Up gehört haben.

Lieblingsfarbe? Rot.

Sternzeichen? Löwe.

Die drei schönsten Gefühle, die man fühlen kann? Stolz, Liebe und Vertrautheit.

Welche Eigenschaften schätzt du bei Menschen am meisten? Ehrlichkeit, Lebensfreude und die Fähigkeit, sich selbst zu reflektieren.

Wer hat mehr Geduld: Gyula mit dir oder du mit ihm? Das ist ziemlich gut ausgeglichen.


Die letzten Fragen:

Wie kamst du zu deinen zwei Begleitern, den Faultieren Charlie und Baby-Charlie?


Der große Charlie lachte mich in einem Geschäft in der Wilmersdorfer Straße in Berlin an und da Faultiere meine Lieblingstiere sind, musste ich ihn mitnehmen. Das sollte auch erst das Maskottchen für die gesamte Company werden, aber im Laufe der Zeit, hat jeder seinen eigenen Begleiter gefunden. Baby-Charlie ist eigentlich Gyulas Maskottchen, aber das würde er bestimmt nie zugeben.


Das bleibt unter uns.

Was ist das Schönste am Unterrichten?


Das Gefühl, Menschen etwas zu vermitteln, Unbekannte zu begeistern und sie in die Irish-Dance-Familie aufnehmen zu können, aber auch den Weg von Kindern zu begleiten. Ich denke heute auch noch an meine Ballett- und Stepplehrerin von damals, wie viel Einfluss sie doch auf mich hatten. Daran zu denken, dass auch ich einen großen Einfluss auf meine Tanzkinder habe und sie vielleicht auch an mich denken, wenn sie erwachsen sind, ist ein tolles Gefühl. Jeden kleinen Fortschritt bei meinen Schülern und Schülerinnen zu sehen und zu begleiten, und in lachende, rote Gesichter nach dem Training zu schauen, das ist wohl das Schönste nach jedem Unterricht.


Die verschwitzten, keuchenden Gesichter …


Genau! Aber alle lächeln immer.


Auf welche Antwort hättest du gerne eine Frage?


Auf die Antwort „Ich tanze Irish Dance.“ habe ich mir die Frage überlegt:

Warum Irish Dance und nicht Flamenco beispielsweise?


Und deine Antwort auf die Frage zur Antwort?


Irish Dance, weil die Musik jeden mitreißt und keinen stillstehen lässt, weil ihr Rhythmus vom kleinen Zeh, über den gesamten Fuß bis in die Beine und schließlich mitten ins Herz geht. Die Musik trägt die Mentalität der Iren und deren Fröhlichkeit mit sich. Irish Dance gibt mir Halt in den schwierigsten Zeiten und schließt mich in der Blase ein, von der ich am Anfang sprach. In solchen Momenten kann ich so fokussiert sein, wie ein Leistungssportler kurz vor dem alles entscheidenden Match.

Mal tanze ich Trauer, mal Wut weg, weil ich weiß, dass ich in dem Moment des Tanzens ohne Zweifel funktioniere, und mein Weg, der zuvor noch verwüstet aussah, danach frei ist für alles, was kommen mag.

Und manchmal ist da auch einfach nur Freiheit, nichts anderes. Das Gefühl , dass es nichts in meinem Kopf gibt, an was ich denken musst – kein Müssen, sondern Können. Das ist die Freiheit, die sich, glaube ich, jeder wünscht.


3 abschließende Worte an die Company?


Gebt niemals auf!



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